Die familiäre Häufung von Rheuma: Vererbung oder Zufall?

Die familiäre Häufung von Rheuma wirft die Frage auf, ob unsere Gene uns vorbestimmen oder ob der Zufall eine größere Rolle spielt.

24.09.2024

Rheuma – ein Begriff, der oft mit Schmerz, Steifheit und eingeschränkter Beweglichkeit assoziiert wird. Für viele Menschen, die selbst von rheumatischen Erkrankungen betroffen sind, ist diese Diagnose bereits schwer genug. Doch was, wenn man erfährt, dass auch andere Familienmitglieder unter ähnlichen Beschwerden leiden? Die familiäre Häufung von Rheuma wirft die Frage auf, ob unsere Gene uns vorbestimmen oder ob der Zufall eine größere Rolle spielt.

Dass Rheuma in Familien gehäuft auftritt, ist seit langem bekannt. Studien zeigen, dass Kinder, deren Eltern oder Geschwister an rheumatoider Arthritis leiden, ein zwei- bis dreimal höheres Risiko haben, selbst zu erkranken. Diese familiäre Häufung deutet auf eine genetische Komponente hin. Doch was genau vererben wir? Ist es die Krankheit selbst oder nur eine Veranlagung?

Die Forschung hat mittlerweile zahlreiche genetische Marker identifiziert, die mit rheumatischen Erkrankungen in Verbindung stehen. Doch die genetische Veranlagung allein erklärt nicht alles.

Umweltfaktoren spielen eine ebenso wichtige Rolle. Infektionen, Rauchen, hormonelle Veränderungen oder Stress können bei genetisch vorbelasteten Menschen die Krankheit auslösen. Gerade bei Frauen, die häufiger an Rheuma erkranken als Männer, scheinen
hormonelle Schwankungen, wie sie etwa in der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren auftreten, eine Schlüsselrolle zu spielen. Dies erklärt, warum eine genetische Prädisposition allein nicht ausreicht, um sicher zu sagen, ob und wann jemand an Rheuma erkrankt.

Hier kommt das komplexe Zusammenspiel von Genen und Umwelt zum Tragen. Zwar vererben wir eine erhöhte Anfälligkeit, doch ob die Krankheit tatsächlich ausbricht, hängt von zahlreichen Faktoren ab, die wir teilweise beeinflussen können. Vorbeugende Maßnahmen wie der Verzicht auf das Rauchen, regelmäßige Bewegung und eine ausgewogene Ernährung können das Risiko senken, auch wenn die genetische Veranlagung vorhanden ist.

Für betroffene Familien bedeutet dies, dass ein Bewusstsein für die familiäre Krankheitsgeschichte wichtig ist, aber nicht mit Resignation einhergehen sollte. Stattdessen gilt es, frühzeitig auf Warnsignale des Körpers zu achten und ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Am Ende bleibt die Frage: Vererbung oder Zufall? Die Antwort lautet: Beides. Rheuma entsteht aus einer komplexen Wechselwirkung von genetischen und Umweltfaktoren. Indem wir uns dessen bewusst werden, schaffen wir die besten Voraussetzungen, um dieser Herausforderung aktiv zu begegnen – für uns und für zukünftige Generationen.

Ihr Dr. Michail Govorov
Chefarzt der Klinik für Rheumatologie am St. Vincenz Hospital der KHWE in Brakel

 

 

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